Tabuthema Stress in der Arbeit: Unterschied zwischen den Versionen
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− | 3. Die Beschäftigung mit dem Problem des Stress wird zu einer weiteren Anforderung an mich. Ich fühle mich ohnehin an der Grenze der Überforderung, und dann bürde ich es mir dann selbst auf, dieses Problem durch ein verändertes Verhalten - durch gute Vorsätze, die ich nun endlich einmal ernst nehme - zu lösen. Ich trete mir selbst gegenüber als ein Stressmanager oder ine Stressmanagerin, die mir Stress macht, weil ich es nicht hinkriege, mich an das Stressmanagement zu halten. Die Stressspirale setzt sich in den versuch der Stressbewältigung hinein fort. |
Version vom 16. Mai 2008, 10:56 Uhr
Tabuthema Stress in der Arbeit
Je mehr die Probleme zunehmen, desto mehr scheint die Bereitschaft, darüber zu sprechen, abzunehmen. Denn ich bin umgeben von Leute, die "es" schaffen, die "es" hinkriegen, oder die jedenfalls erzählen, dass sie "es" schaffen. Nur ich scheine damit Schwierigkeiten zu haben, die Aufgaben zu bewältigen. Höchstens im Einzelgespräch kann ich einräumen, dass ich da Probleme habe. Doch ich muss aufpassen, dass ich mir nicht selber schade. Denn wer Probleme hat, gilt als schwach und wird angegriffen; das Einräumen von Problemen schadet im Gerangel um Projekte, um Einfluss und um die eigene Position im Betrieb und unter den Kolleginnen und Kollegen. Deswegen vertusche ich die Sache am besten. So machen es doch alle, oder jedenfalls viele. Es entsteht ein Klima, in dem die wirkliche Arbeitssituation gar nicht mehr zur Sprache kommt, weil alle sich nur erzählen, wie toll sie "es" hinkriegen.
Dieses Klima, dass alle "es" hinkriegen, verhindert, dass ich mich mit den Anzeichen von Erschöpfung ernsthaft auseinandersetze. Es scheint nur mich zu betreffen. In irgendeiner Weise bin in diesen Fragen unnormal, zu schwach, zu wenig konsequent. Die Anderen schaffen es doch auch. Warum sollte ich "es" nicht hinkriegen? Ich beginne damit, das Problem erst einmal als ein indivduelles Problem von mir zu behandeln.
Ich nehme mir vor, "es" auch hinzukriegen.
Anstatt darüber zu reden, dass mir alles zuviel wird und ich bald nicht mehr kann, nehme ich mir vor, von jetzt an dies und jenes anders zu machen, damit ich "es" besser hinkriege. Damit aber spreche ich nicht über meine Lage, sondern darüber, was ich anders machen sollte, damit auch ich "es" hinbekomme. Aber der Weg in die Hölle ist mit guten Vorsätzen gepflastert. So ist es auch hier. Wenn ich so handele, dann übersehe ich drei Wirkungen meines Tuns:
1. Ich beteilige mich - ohne es zu wollen - an der Tabuisierung des Themas "Stress bei der Arbeit". Ich wirke für die Anderen in der Weise, als ob auch ich "es" schaffe. Ich bin für die anderen Menschen jemand, der denselben Druck verbreitet, den die Anderen auf mich machen. Das Tabu ist nun nicht mehr nur etwas, was außer mir wirksam ist. Im Gegenteil beteilige ich mich plötzlich - ohne es zu wollen - daran, das Tabu aufrecht zu erhalten.
Das ist wieder so ein Prozess, der "von selbst" abläuft: Ich spüre, dass ich über meine Erschöpfung nicht sprechen darf, weil ich sonst zusätzliche Schwierigkeiten kriege. Ich ziehe mich in mich selbst zurück und versuche, für mich alleine damit klar zu kommen. Damit werde ich aber selber jemand, der die Fassade aufrecht erhält, dass man "es" eigentlich schaffen müßte. Ich erscheine plötzlich den Kolleginnnen und Kollegen selbst als eine, mit der man nicht über so etwas sprechen kann, oder als einer, der in der Lage ist, das für sich alleine zu schaffen.