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Version vom 12. Juli 2008, 11:58 Uhr

Burn-out - Mangel an Management oder Grenze des Managements

Burn-out ist überall

Burn-out ist eine Reaktion auf eine lang anhaltende außerordentliche Belastung, die in Unternehmerkreisen schon lange bekannt ist. Seit Freudenberger sie 1974 mit Namen „Burnout“ belegt hat, ist sie ein Phänomen, das sich immer weiter ausbreitet. Die Karriere des Burn-out hat im Bereich der freiwilligen psychosozialen Dienste und der Klienten- und Patientenbetreuung begonnen. Das bestimmte zunächst auch die Vorstellungen, die sich die Forschung von Burn-out machte. Hoch motivierte Menschen mit Helfersyndrom sind nicht ausreichend in der Lage sich von ihren Klienten abzugrenzen. Das stellte man sich als die Ursache von Burn-out vor.

Dieser Vorstellung gemäß begann die Forschung damit, zu untersuchen, welche Berufe anfällig für Burn-out machen. Im Bereich der Krankenpflege, an den Schulen bei Lehrerinnen und Lehrern, in der Kirche bei Pfarrern, bei der Polizei, in psychotherapeutischen und anderen klientenorientierten Berufen, sowie der Sozialarbeit wurde empirisch geforscht. Anfänglich zeigte sich bei den Beschäftigten in diesen Berufen eine hohe Motivation. Viele arbeiteten mit großem Engagement weit über die Grenzen der gewöhnlichen Arbeitszeit hinaus. Sie distanzierten sich nicht ausreichend von den Sorgen der ihnen anvertrauten Menschen. Das führte zu emotionaler, körperlicher und geistiger Überanstrengung. Eine berufsorientierte Betrachtungsweise des Burn-out lag also nahe.

Doch Burnout breitete sich auf alle Berufe aus. Es gibt heute kaum noch Arbeitsfelder, in denen solche Belastungen keine Rolle spielen. Ob nun Software-Programmierung oder führendes Management, ob Flugbegleitung oder Sekretariat, Projektleitung oder Verwaltung, Burnout ist überall.

Burn-out als Reaktion auf veraltete Strukturen?

Aus den Gründerzeiten der Burn-out – Forschung reicht eine zweite Illusion bis in die Gegenwart. Man ist der Meinung, dass Burn-out mit einem bestimmten Typ von Arbeitsorganisation verbunden ist. Formen der Arbeitsorganisation, die stark auf Anweisung und Gehorsam beruhen, tragen danach besonders zu Belastungen bei, die zu Burn-out führen. Smarte Formen der Organisation der Arbeit wie die so genannte „Vertrauenarbeitszeit“ und die so genannte „Autonomie“ der Beschäftigten führen danach weit weniger zu Burn-out, weil die Beschäftigten mehr Einfluss auf ihre Arbeitssituation haben. Demnach müsste die Verbreitung von Burnout in den Berufen seltener sein, in denen die Menschen in diesem Sinne „autonom“ und „selbst organisiert“ arbeiten. Das Gegenteil trifft jedoch zu. Gerade Menschen, die sich ihre Arbeitszeit selbst einteilen können, arbeiten zumeist mehr und intensiver als diejenigen, die in ihrer Arbeitszeit kontrolliert werden. Dementsprechend ist das Risiko des Burn-out mindestens genauso hoch.

Die zwei folgenden Absätze sind auch verzichtbar (Die Forschung zielt nun auf das Verhältnis der Menschen zu ihrer Arbeit überhaupt ab. Man beschäftigt sich mit den Möglichkeiten der Menschen, ihre Arbeit selbst zu gestalten. Je mehr Einflussmöglichkeiten den Beschäftigten eingeräumt werden, desto geringer ist die Gefahr des Burn-out, so behauptet die Forschung. Die Verhältnisse in den Unternehmen und Organisationen werden untersucht. Man stellt fest, dass viele Organisationen und Unternehmen durch ungeeignete Strukturen und fremdbestimmte Abläufe, falsche Routinen und anstrengende Kommunikationsformen Stress verursachen. Und am Ende von Stress steht möglicher Weise Burn-out.

Es gilt – so scheint es – viele Unternehmen umzukrempeln. Neue Methoden des Managements werden – wenn auch nicht unbedingt wegen Burn-out, so doch (teils verbal, teils organisatorisch) unterstützt von einer Reihe von Burn-out–Forschern – in die Firmen eingeführt. Anweisungen erscheinen zwar als notwendig, aber als nur begrenzt sinnvoll. Organisationsstrukturen werden analysiert und verändert. Das passt gut zu Veränderungen in den Formen des Managements, die sich – wenn auch aus ganz anderen Gründen – in den Unternehmen durchzusetzen beginnen. Insofern wurden die Impulse dieser Phase – zwar nicht um der Eindämmung von Burn-out willen – weitgehend aufgenommen und zum Teil umgesetzt. Smarte Formen des Managements, schlanke Hierarchien und unternehmerisches Handeln der Beschäftigten gelten als die Umsetzung des Einflusses der Menschen auf ihre Arbeit. Aber Burn-out wird durch veränderte Formen des Managements in Unternehmen nicht verringert. Denn Burn-out nimmt in den Berufen, die in solchen Unternehmen stark gefragt sind, welche die neue Formen des Managements einführen, eher zu als ab. Es zeigt sich, dass die Menschen, die in solchen Unternehmen arbeiten, Schwierigkeiten mit der Abgrenzung von ihrer Arbeit haben. Sie fühlen sich von ihrer Arbeit aufgefressen. Sie haben Angst um sich selbst, um ihre Individualität. Sie haben das Gefühl ihr Selbst in der Arbeit zu verlieren.)

„Work-Live-Balance“

Es ist notwendig, sich als Individuum mit der eigenen Arbeit auseinander zu setzen. Die Betroffenen müssen ihr Verhältnis zu ihrer Arbeit ändern. So viel scheint fest zu stehen. Ein Begriff, der in der Diskussion über Geschlechterverhältnisse geprägt wurde, scheint den Nagel auf den Kopf zu treffen: „Work – Live – Balance“ wird zu einer Art Zauberwort der Prävention von Burn-out. Es geht darum, einen Ausgleich zwischen Arbeit und Leben zu finden. Das ist eine der Aufgaben der Beschäftigten heutzutage. Wie wird empfohlen diese Aufgabe anzugehen? Gedacht ist an ein verbessertes Selbstmanagement. Man geht von der Arbeit aus, das Leben soll im Ausgleich Stress und Gefahr von Burn-out reduzieren. Es wird von den Firmen ein verändertes Management verlangt, aber auch von den Beschäftigten ein verbessertes Selbstmanagement.

Aber Management – und auch Selbstmanagement – verhindert nicht Burn-out. Im Gegenteil: Die gegenwärtigen Formen des Managements führen Burn-out herbei. Es ist deswegen dringend erforderlich andere Formen der Auseinandersetzung mit Burnout zu entwickeln. Der Anfang bei der Berufsforschung macht sichtbar, wo man nach den Quellen der Belastung suchen muss. Es sind die Beziehungen zwischen den Menschen in der Arbeit, die diese neue Form der Belastung nach sich ziehen. Bis in die 70er Jahre des vergangnen Jahrhunderts waren entweder eine Maschine oder ein – einer Maschine nachempfundener – geregelter Ablauf das Rückgrat der Arbeitsorganisation in einem Unternehmen. Aber die Zeiten haben sich geändert. Heute sind die Kooperationsbeziehungen der Beschäftigten das Rückgrat des Unternehmens. Das Management hat die Aufgabe, diese Beziehungen so einzurichten oder zu entwickeln, dass die Beschäftigten darauf von selbst – unbewusst – möglichst produktiv reagieren. Das geschieht nicht durch Anweisungen an die Beschäftigten, sondern durch Modifikation der Rahmenbedingungen der Kooperation, auf die die Beschäftigten reagieren. Dadurch werden die Beschäftigten so „indirekt gesteuert“, dass sie von selbst – d. h. ohne zu wissen, warum – mehr, länger und intensiver arbeiten. Überdies setzen sie sich gegenseitig im Sinne des Unternehmens unter Druck. Der Unternehmenszweck nistet sich durch die „indirekte Steuerung“ in den Handlungsweisen der Beschäftigten bei der Arbeit ein, ob das nun den Umgang miteinander oder mit den Kunden betrifft. Das Selbst der Beschäftigten wird – vermittelt über die Kooperationsbeziehungen mit den Kolleginnen – im Sinne des Unternehmenszwecks beeinflusst. (Wem das merkwürdig vorkommt, der denke an einen kleinen Unternehmer vor, dessen Selbst nichts anderes als das Unternehmen ist. So gilt das – wenn auch unter veränderten Voraussetzungen – für die Beschäftigten, die heute den unter modernen Formen der Arbeitsorganisation arbeiten.) Das ist das Ziel und die Wirkung der neuen Formen der Arbeitsorganisation. Deswegen nimmt Burn-out mit den veränderten Managementformen nicht ab, wie manche früher gehofft haben, sondern zu.

Burn-out zeigt, dass die Beschäftigten die Anforderungen, die das neue Management und die neuen Formen der Arbeitsorganisation stellen, noch nicht so beherrschen, dass sie sich selbst aus der Arbeit zurückgewinnen und abgrenzen können. Obwohl es ihre eigene Lebens- und Arbeitstätigkeit ist, verlieren viele Beschäftigte – und oft gerade die für die Unternehmen Wertvollsten – in dieser Form der Arbeitsorganisation sich selbst. Sie müssen nicht lernen sich selbst besser zu managen. Sie müssen lernen, sich mit dem Management, dem sie unterzogen werden und dem sie sich ggf. auch selbst unterziehen, auseinanderzusetzen.

Eine Möglichkeit das zu tun, ist der Ansatz „Meine Zeit ist mein Leben!“ Man sagt nicht, was jemand besser machen muss, – schon gar nicht, dass jemand sich besser managen muss. Es gilt zu erkennen, was und warum man und frau so alles tut. Es geht darum, sich sein eigenes Tun anzueignen. Die Arbeit ist nicht selbständig vom Leben, und auch nicht ein Teil, der gegen das Leben ausbalanciert werden muss. Die Arbeit kann nur ein Teil der Lebenstätigkeit sein, der in das Leben integriert ist. Alles andere führt zum Verlust des Selbst der Beschäftigten, eben zu Burn-out.

Burn-out ist keine Krankheit, sondern zeigt die Notwendigkeit sich selbst in seinem Leben wieder zu gewinnen. Die neuen Formen des Managements führen dazu, das Selbst der Beschäftigten mit dem Unternehmenszweck zu besetzen. Selbstmanagement ist die Fortsetzung dieses Weges. Es bedarf aber der Auseinandersetzung mit dem Management, dem man im eigenen Leben Grenzen zu setzen lernen muss.